Mit meiner Familie läuft alles wie gewohnt prima. Wir verstehen uns gut, und ich weiß es sehr zu schätzen, dass ich immer auf sie zählen kann. Vor allem mit meinem Bruder verstehe ich mich wie immer sehr gut. Er ist und bleibt mein Bruderherz. In dieser Hinsicht bleibt alles stabil, auch wenn andere Bereiche meines Lebens ziemlich turbulent waren. Nach den Schwierigkeiten mit Lynda während meines Praxissemesters hat sich unsere Beziehung wieder stabilisiert, und ich bin froh darüber. Dennoch frage ich mich, wie es wohl im nächsten Praxissemester wird. Wir müssen eine Lösung finden, damit uns die Distanz nicht wieder so zu schaffen macht.
Und dann gibt es da noch Markus – und das ist, kurz gesagt, kompliziert.
Lyn, Markus und Ich
Ich liebe Lynda, daran gibt es keinen Zweifel. Aber ich habe mich auch in Markus verguckt, und das bringt mich völlig durcheinander. Wie soll ich damit umgehen? Diese Frage stelle ich mir immer wieder, ohne eine klare Antwort zu finden. Selbst nach der Sache mit den Fake-Bildern, die ich ihm geschickt habe, hat er mir verziehen, und wir haben unseren Kontakt weiter intensiviert.
Während ich Lynda nur am Wochenende sehe und gelegentlich mit ihr schreibe, ist Markus ständig präsent. Ich denke an ihn, wir schreiben täglich, und zwar so viel wie mit niemandem anderem. Unsere Gespräche sind intensiv, manchmal sehr intim. Für Markus habe ich mehrere Storys geschrieben, und er hat auch welche für mich verfasst. Ich habe mich bereits zu einigem Unfug mitreißen lassen. Gemeinsame Dirty-Talks, keine Unterwäsche tragen, zusammen masturbieren … Wer hätte gedacht, dass ich mal so etwas mache? Ich habe mir sogar einen Vibrator gekauft, damit Markus mich aus der Ferne steuern kann – und er sich auch einen. Es ist verrückt, dass ich so etwas mache, aber was soll ich sagen … es gefällt mir.
Ich erzähle von (vielleicht manchmal zu) intimen Dingen. Das fängt bei sexuellen Vorstellungen an und geht bis zu meinen Träumen. Meine Träume sind teilweise schon sehr speziell, sexuell und oft realitätsfern. Ich habe schon immer viel geträumt, aber seitdem ich die Storys schreibe, haben die erotischen Träume angefangen. Was früher nur sporadisch passiert ist, träume ich nun fast regelmäßig. Teilweise, dass ich aufwache, weil mein Slip nass ist. Bin ich mittlerweile so versaut? Ist es gut, dass ich Markus von meinen Träumen erzähle? Auch wenn er weiß, dass es nur “Träume” sind wirft das schon ein komisches Licht auf mich, oder? Ich will nicht, dass er mich als dauergeiles Mädchen sieht, was ich ja auch eigentlich nicht bin.
Seitdem ich die Storys schreibe, merke ich, wie meine sexuellen Bedürfnisse stärker sind. Die Fantasien sind anregend, aber ist das gesund? Tragen diese Vorstellungen dazu bei, dass ich mich von Markus so angezogen fühle? Aber es ist definitiv nicht nur das. Er ist besonders und weckt Gefühle in mir, die ich bisher nur von Lynda kannte.
Die aktuelle Situation, in der ich oft hin- und hergerissen bin, ist gefährlich. Auch wenn sich unsere Verbindung besonders anfühlt, weiß ich gleichzeitig, dass ich in einer Beziehung mit Lynda bin. Und ich liebe sie. Also was mache ich hier? Bin ich untreu? Muss ich mich entscheiden?
Manchmal frage ich mich, was Markus wirklich über all das denkt. Es ist offensichtlich, dass er an mehr interessiert ist – das zeigen nicht nur seine Nachrichten, sondern auch die Art, wie er mit mir schreibt, wie viel und er mir mit den Storys Freude bereitet. Seine Worte sind oft so direkt und doch gleichzeitig durchdacht, dass sie mich völlig aus der Fassung bringen. Ich spüre seine Zuneigung, seine Geduld, aber auch seine Ungeduld, wenn es darum geht, Klarheit zu schaffen. Vielleicht erwartet er von mir Antworten oder eine Entscheidung, die ich noch nicht einmal selbst gefunden habe.
Mein Verhalten ist verletzend und das bedrückt mich. Sowohl als Vertrauensbruch gegenüber Lyn, als auch die Schwebe gegenüber Markus. Wie fühlt er sich, wenn ich von Lynda und mir erzähle? Ich muss gestehen, dass ich an seiner Stelle das nicht aushalten würde.
Dazu kommt noch die Kinderfrage mit Lynda, die nach wie vor unbeantwortet ist. Wir haben das Thema bisher nie ernsthaft zu Ende diskutiert, und ich frage mich, ob das ein weiterer Punkt ist, der irgendwann zwischen uns stehen könnte. Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich mich zwischen zwei Leben entscheiden muss – und ich weiß einfach nicht, welches das Richtige ist.